Die Sozialstruktur wird von der Familienzelle weitergegeben. Die Familien vergrößern sich und bilden dann weitere Familien, der Prozess ist sozusagen unkontrolliert (zumindest früher).
Ebenso bildet sich das Dorf auf natürliche Weise ohne ein bestimmtes Konzept, die Häuser werden nebeneinander gebaut (die Ausrichtung des eigentlichen kabylischen Hauses ist genau definiert).
So entstehen aus diesem Puzzle die engen Straßen, die wie von Mauern umgebene Korridore wirken. Nur zwei Straßen durchziehen das Dorf von einem Ende zum anderen. Von diesen Straßen gehen Sackgassen ab, die zu den Eingängen der Höfe führen. Im Zentrum eines jeden Viertels befindet sich ein Platz, Djemâa genannt. Dieses Wort bezeichnet sowohl den Ort als auch die Gruppe der Dorfbewohner, die sich dort versammeln. Seine Form ist nicht festgelegt, sondern ergibt sich aus der Anordnung der Häuser, die ihn umgeben.
Das Dorf ist heute fast vollständig verlassen. Es gibt schätzungsweise 1500 erkennbare Häuser, was 30 % der Siedlung entspricht. Die Zahl der Gebäude, die stark beschädigt, aber reparabel sind, wird ebenfalls auf 30 % geschätzt, während 40 % der Häuser als Ruinen eingestuft werden. Das Dorf Guelâa wirkt auf den ersten Blick nicht einladend, es ist in sich gekehrt, aber das ist nur eine Fassade, hinter der sich ein fröhliches, einfaches und harmonisches Leben abspielt.


Der Stein

Die Häuser in Guelâa sind aus Stein gebaut. Nicht nur wohlhabende Familien oder kinderreiche Familien (was ein Zeichen von Reichtum ist) haben dieses Material verwendet, jedes Haus, jeder Stall und jede Scheune zeigt das gleiche Gesicht.
Überall in der Region findet man diesen Stein Athghagh Azegzaou genannt, was blauer Stein bedeutet, obwohl er eine grau-gelbe Farbe hat. Er wird aus den Steinbrüchen geholt, zunächst in großen Blöcken aus dem Gestein herausgelöst und dann in ungleich große und geformte Stücke zerbrochen, die zum Bauen geeignet sind.
So versuchten unsere Vorfahren, die Gebäude in die Natur zu integrieren, genauso wie ein im Krieg zerstörtes oder nach der Flucht eingestürztes Haus sich wieder in die natürliche Landschaft einfügt. Das ist es, was die Ruinen von Guelâa nicht traurig erscheinen lässt.


Das Zusammensetzen der Steine

Die in den Steinbrüchen gesammelten Steine werden auf einfache Weise zusammengefügt: Während des Baus werden sie so ausgewählt, dass die Formen zusammenpassen. Die Ecken und die Oberseite der Giebel werden aus großen Steinen gebaut, um die Festigkeit zu erhöhen. Die kleinen Steine werden verwendet, um die Löcher in der Mauer zu schließen. So wird das Zusammensetzen von Steinen zu einer Kunst.
Obwohl diese Methode ausreicht, um eine Mauer zusammenzuhalten, wird zwischen den Steinen ein Bindemittel hinzugefügt, eine Mischung aus Erde und Kalk, die dem Gebäude mehr Stabilität verleiht und es wetterfest macht.
Diese natürlichen Materialien verleihen der Mauer auch eine gewisse Elastizität, sie erhöhen ihre Widerstandsfähigkeit und geben ihr im Laufe der Zeit einen gewissen Spielraum.
Andererseits werden die Gebäude unabhängig voneinander errichtet, sie sind autonom. Bei großen Erschütterungen, z. B. durch Bombenangriffe, oder im Laufe der Zeit beschränken sich die Schäden auf lokale Einstürze, im schlimmsten Fall verfällt das Gebäude, aber ohne weitere Schäden zu verursachen. Der Vorteil ist, dass man das gleiche Haus mit den Materialien, die man zurückbekommt, fast vollständig wiederaufbauen kann.


Die Mauer

Der Fremde, der nach Guelâa kommt, fühlt sich von dieser Gesellschaft oder vielmehr von ihrer Architektur, in der die Häuser nach innen gerichtet sind, zurückgewiesen. Das Leben der Menschen in Guelâaouis spielt sich an Orten ab, die von Mauern umgeben sind: Die Frau im Haus, das ihre Welt ist, und der Mann außerhalb, der auf dem Feld arbeitet oder sich auf der Djemâa aufhält, die ebenfalls ein geschlossener Ort ist, der von hohen Mauern umgeben ist. Das Dorf selbst war ursprünglich von einer Mauer umgeben. Bevor man in Guelâa einfährt, hält man traditionell an den Toren der alten Zitadelle an, wo einst ein Schutzwall stand, von dem heute nur noch ein 1,80 m breiter Mauerabschnitt übrig ist. Der Ort hat seinen ursprünglichen Namen behalten: Thagourth Ouadji.


Das Dach

Die Harmonie zwischen den Gebäuden und der Landschaft ist nicht nur auf den Stein zurückzuführen, sondern auch auf das gewählte Dach. Seine Form ist einfach, seine Dacheindeckung sind Kanalziegel, das einzige Material, das hergestellt wird. Das Satteldach ruht auf drei Balken, einem Mittelbalken und zwei Seitenbalken, an den Enden liegen diese Balken auf der Giebelwand auf, im Haus werden sie von drei Pfeiler gestützt, die so eine Trennung markieren, z. B. zwischen Stall und Wohnraum.
Die Balken sind im Rohzustand, d. h. sie kommen in Form von mehr oder weniger bearbeiteten Baumstämmen vor.



Die Öffnungen

An der Hauptmauer findet man die einzige Öffnung, um in den Hof zu gelangen: ein Tor, das im Durchschnitt drei Meter breit und fünf Meter hoch ist.
Tagsüber bleibt es offen, nachts ist es geschlossen. Von innen wird es mit Holzverriegelung verschlossen, das System ist sehr beeindruckend. Wenn das Haus nicht mehr bewohnt ist (was heutzutage im Winter oft der Fall ist), wird es von außen verschlossen. Im Innenhof gibt es mehr Öffnungen, aber nur das Nötigste. Jedes Haus hat eine Tür, die den ganzen Tag offen bleibt, sowohl im Sommer als auch im Winter, und oft befindet sich daneben ein kleines Fenster (mehrere, wenn das Haus neuer ist). Dies sind die einzigen Öffnungen, durch die das Tageslicht eindringt, und die einzigen Rauchabzüge. Nachts sind sie immer geschlossen. So bleibt die Wand intakt und behält ihren Oberflächenwert.


Die Treppen

Guelâa liegt nicht auf einer ebenen Fläche, ganz im Gegenteil. In dieser Landschaft lässt sich erkennen, dass die Treppen nur zu ihrem Zweck da sind. Wenn man das Dorf durchquert, steigt man auf, steigt ab und bewegt sich sowohl in der Vertikalen als auch in der Horizontalen. Die Funktion ist gegeben, das Material ist da, der Rest ergibt sich aus der Situation, ohne jegliche Kunst.


Die Arkaden

Wenn man vorden Toren der alten Zitadelle ankommt, sieht man das Dorf als Ganzes und erblickt in den oberen Stockwerken einiger Häuser Arkaden. Eigentlich kann man sie an den Fingern einer Hand abzählen. Sie haben keine bestimmte Funktion, sondern sind ein freies Element der Architektur, vielleicht ein Zeichen von Reichtum, eine Öffnung zur Außenwelt. Diese ungewöhnliche Bauweise lässt sich auf den Einfluss arabischer Bevölkerungsgruppen zurückzuführen, welche im 16. Jahrhundert nach dem Untergang des islamischen Reichs in Spanien auf ihre Flucht auch nach Guelâa kamen.