Rückkehr zu den Wurzeln
„In Algier fühle ich mich als Algérois und verhalte mich wie einer. Heute in Bremen fühle ich mich als Bremer und verhalte mich wie ein Bremer, ich denke aber immer daran, dass ich zuerst Sohn meines Vaters und einer aus der Heimat meiner Vorfahren bin, die weder in Algier noch in Bremen liegt.“
Mourad Mebarek
Für den Kabylen ist Algerien auch seine Heimat. Wenn der Staat ihn ruft, um Pflichten zu übernehmen, wird er die Verantwortung der familiären Rolle wahrnehmen, um die Familie, den Stamm und die Region zu beschützen und Gemeinschaftswerke aufzubauen. Seine Nation ist und bleibt Algerien. Seine Heimat sieht er in seinem Vater, innerhalb seine L’Hara inmitten der Djemâa, in seinem Dorf. Er bleibt in seiner Existenz an dem Ort verwurzelt, wo seine Vorfahren gelebt haben, selbst wenn er als Stadtmensch fern seines Stammes ist. Diesen Leitgedanken hat Mourad in allen Lebenssituationen mit sich getragen. Er hat ihn gelebt und man hat diese Ideen in seinen Taten wiedergefunden.
Mitten im Algerienkrieg, am 9. Februar 1957, ist Mourad, als zweiter Sohn der Familie Mebarek in Algier geboren. Sein Vater hatte eine leitende Funktion im Bildungsministerium, seine Mutter kümmerte sich liebevoll um die Großfamilie. Da die Großeltern auch zu Hause lebten, war Mourad viel mit seinem Großvater. In den Sommerferien fuhren sie oft zusammen nach Guelâa und verbrachten den ganzen Sommer dort. Mit 20 wollte Mourad etwas Anderes kennenlernen, Europa war das Ziel. Anstatt den leichteren Weg nach Frankreich zu nehmen, entschied er sich für Deutschland. Seine erste Anlaufstation war Prien am Chiemsee in Bayern. Dort lernte er im Goethe Institut Deutsch, im Alltäglichen hörte er jedoch Bayrisch. Zwei Jahre lang erkundete er Süddeutschland, und kam dann eher zufällig nach Bremen, um 1979 sein Architekturstudium zu beginnen. Im Anschluss fing Mourad ein Aufbaustudium an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg an, mit Schwerpunkt Städtebau, und absolvierte es 1989 durch seine Diplomarbeit. In dieser Arbeit konnte er zwei seiner Leidenschaften vereinen: den Städtebau und das Dorf seiner Vorfahren Guelâa. Dort drehte er, mit seinem Kommilitonen Sattar Abbas, einen begleitenden Film. Schon in dieser Zeit hat Mourad es geschafft bei den Bewohnern das Interesse zu wecken, bewusster mit dem Kulturerbe in Guelâa umzugehen. 1990 bis 2010 übte er seinen Beruf als Architekt in einem Büro in Osterholz-Scharmbeck aus.
Inzwischen war einiges geschehen. 1980 stellte sich Mourad dennoch einer französischen Herausforderung und lernte seine Frau Nathalie kennen. Mit Respekt und Achtung voreinander lebten sie ihre unterschiedlichen Kulturen miteinander aus. Zusammen zogen sie 1985 in das Haus der Karlshafener Straße 63 ein. Zunächst war es nichts Außergewöhnliches, doch mit der Zeit wurde für Mourad die Karlshafener Straße in Deutschland, was sein Dorf Guelâa Beni Abbas in Algerien war. 1987 folgte Salah seinem großen Bruder nach Bremen. Die Familie vergrößerte sich durch die Geburt ihrer beiden Kinder Louisa und Mounir.
Die Beziehung zu Algerien und seiner Familie hat Mourad all die Jahre immer aufrechterhalten und ist in regelmäßigen Abständen, mal mit mal ohne seine Familie, nach Algerien gereist. Ein Besuch in Guelâa gehörte immer dazu. Die Nähe zu seinem Dorf ist mit den Jahren größer geworden und er hat es geschafft, das allgemeine Interesse für Guelâa zu fördern.
Mourad Mebarek ist am 6. August 2012, nach drei Jahren Krankheit, gestorben. Der Leitgedanke, dem er in den verschiedensten Projekten gefolgt ist, lebt jedoch weiter.